Falsche Emanzipation
‘Warum sind in Holland (mehr als irgend anderswo) die jungen Mädchen so unanständig, rabiatstarr, von unglaublicher Rücksichtslosigkeit, auf Launen ruhender Ausschließlichkeit in den Reaktionen, – als ob ihnen nicht nur jeder Takt, sondern auch die tiefere Empfindung vollständig fehlte? Wegen der Starrheit der Erziehung, der exklusiven Natur ihres von ganz veralteten Einstellungen imprägnierte Milieus, in dessen Sinne sie – soweit sie nicht eines verlogenen Daseins fähig waren – nicht meher leben konnten, von dem sie aber, schwache Einzelne, nicht richtig sich zu emanzipieren die Kraft hatten. Hätten Milieu und Erziehung ihnen einigermaßen ihren Lebensraum zugestanden und sie begleitet, wären sie vor diesen häßlichen Übertreibungen bewahrt geblieben; nun wiesen dieses Milieu und diese Erziehung den Weg des Erstickens und daher mußten sie opponieren: und dabei verbrannten sie alles, auch das Gute, das, was nicht oder noch nicht zu ändern war und was sie durchaus nötig gehabt hätten zu einem guten Leben (wie das Volk tun würde, wenn es, allein, die Revolution machte); denn sie hatten keinen Führer und zur richtigen Emanzipation haben nur Seltene, Große eigene Kraft genug.
– A wollte B ins Kloster nötigen und hat sie dadurch ins Hurentum getrieben.’
Ludwig Hohl, ‘Die Notizen oder Von der unvoreiligen Versöhnung’. Frankfurt am Main, 2014 [1944, 1954], p. 62.
© 2014 Leo van der Sterren
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